Aufsicht und Durchsetzung nach dem Digital Services Act
Einleitung
Mit dem Inkrafttreten des Digital Services Act (DSA) am 16. November 2022 und der vollen Anwendbarkeit seit dem 17. Februar 2024 sind die Erwartungen an eine effektive Regulierung von Online-Plattformen hoch. Besonders die Durchsetzung der Vorschriften sorgt für politische Spannungen, insbesondere im transatlantischen Verhältnis. Der ehemalige EU-Digitalkommissar Thierry Breton verkündete bereits im Vorfeld selbstbewusst: "A new sheriff is in town – and it goes by the name #DSA". Doch wie sieht die praktische Umsetzung der neuen Vorschriften aus?
Aufsichtsstruktur des DSA
Der DSA sieht eine mehrstufige Aufsichtsstruktur vor: Die Europäische Kommission ist für sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen (Very Large Online Platforms and Search Engines – VLOPSE) zuständig, während in den Mitgliedstaaten Koordinatoren für digitale Dienste (Digital Services Coordinators – DSC) die Aufsicht über sonstige Vermittlungsdienste wahrnehmen. Die Kommission besitzt weitreichende Befugnisse zur Kontrolle und Sanktionierung von Verstößen, darunter Untersuchungsrechte und die Möglichkeit, Geldbußen bis zu 6% des weltweiten Jahresumsatzes zu verhängen.
Aufsichtsverfahren und Sanktionen
Im Fall von Verstößen gegen den DSA kann die EU-Kommission ein formelles Verfahren einleiten. Dies kann zu einem Nichteinhaltungsbeschluss führen, der Maßnahmen zur Behebung des Verstoßes anordnet, oder zu einer erweiterten Aufsicht, die spezifische Pflichten für VLOPSE zur Minderung systemischer Risiken umfasst. Die Kommission kann zudem Zwangsgelder verhängen und Anbieter durch Verpflichtungserklärungen zur Einhaltung der Vorschriften bewegen.
Aktuelle Verfahren
Derzeit laufen gegen zahlreiche VLOPSE Aufsichtsverfahren. Ein erstes erfolgreiches Verfahren gegen TikTok führte dazu, dass der Anbieter die geplante Funktion "TikTok Lite" in der Europäischen Union nicht einführt. Hingegen stagniert das Verfahren gegen die Plattform X (ehemals Twitter), möglicherweise aufgrund geopolitischer Spannungen zwischen der Europäischen Union und den USA. Aussagen des US-Vizepräsidenten JD Vance, die europäische Regulierung von Online-Plattformen könne Auswirkungen auf die NATO-Unterstützung haben, sorgen für zusätzliche politische Brisanz.
Herausforderungen und Kritik
Die Praxis der DSA-Durchsetzung wirft verschiedene Fragen auf: Unklar bleibt die rechtliche Wirkung der Aufforderung zur Dienstsperrung durch die EU-Kommission gegenüber den DSC sowie deren Umsetzung durch nationale Justizbehörden. Kritisch wird auch die zentrale Rolle der EU-Kommission in der Aufsicht über VLOPSE gesehen, da diese keine unabhängige Behörde ist.
Fazit
Der DSA setzt ein starkes Signal für die Regulierung digitaler Dienste, steht jedoch vor Herausforderungen in der praktischen Umsetzung. Insbesondere die transatlantischen Spannungen und die politische Debatte um Meinungsfreiheit könnten die Rechtsdurchsetzung beeinflussen. Offen bleibt, ob die aktuelle Struktur der Aufsicht langfristig für eine effektive und unabhängige Kontrolle digitaler Plattformen ausreicht.