Mängeleinbehalt trotz Mängelsicherheit!
Der Auftragnehmer (AN) verlangt vom Auftraggeber (AG) Restwerklohn aus einem im Jahr 2011 abgeschlossenen Bauvertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses. Der AG macht einen Einbehalt wegen Mängeln geltend. Der AN meint, dass dies wegen einer gestellten Mängelsicherheit unberechtigt sei.
Hierzu entschied das Thüringer OLG – nunmehr bestätigt durch den BGH, dass sich der AG bei Vorliegen von Mängeln grundsätzlich nicht auf eine Mängelsicherheit des AN verweisen lassen muss. Vielmehr kann der AG kumulativ zu der bestehenden Sicherheit die Zahlung eines angemessenen Teils des noch offenen Werklohns verweigern. Es gilt der Grundsatz der Unabhängigkeit des Leistungsverweigerungsrechts von einer zur Verfügung stehenden Sicherheit. Dieser Grundsatz ist jedoch nicht grenzenlos. Vielmehr darf es durch die Kumulation von Sicherheitseinbehalt und Leistungsverweigerungsrecht nicht zu einer erkennbaren und unangemessenen Übersicherung des AG kommen. Im Einzelfall ist deshalb unter Berücksichtigung der insgesamt zur Verfügung stehenden Sicherheiten und der Mängelsituation ein entsprechender Einbehalt zu bestimmen. Dabei muss dem Besteller jedenfalls der von § 641 Abs. 3 BGB vorgesehene Druckzuschlag (Einbehalt der doppelten Mangelbeseitigungskosten) verbleiben, um dadurch den Unternehmer anzuhalten, seiner Verpflichtung zur Mängelbeseitigung nachzukommen.
Der Entscheidung des OLG ist zuzustimmen. Mängeleinbehalt und Mängelsicherheit beruhen auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen und verfolgen unterschiedliche Zwecke.
Der Mängeleinbehalt folgt daraus, dass dem AN die vereinbarte Vergütung grundsätzlich nur für eine vollständig und mangelfrei erbrachte Leistung in voller Höhe zusteht. Deshalb kann der AG bis zur Herstellung der Mängelfreiheit einen angemessenen Teil der Vergütung einbehalten. Ein angemessener Einbehalt umfasst grundsätzlich auch den Druckzuschlag, um den AN zur mangelfreien Leistung anzuhalten.
Demgegenüber dient der Sicherheitseinbehalt dazu, den AG wegen noch nicht erkannter, erst künftig entstehender Mängel abzusichern und das den AG treffende Insolvenzrisiko des AN abzufedern.
Aus diesem Grund ist es konsequent, dass Mängeleinbehalte und Mängelsicherheit bis zur Grenze der Übersicherung kumulativ geltend gemacht werden können. Eine Übersicherung des AG kommt ausnahmsweise jedoch nur dann in Betracht, wenn ausgeschlossen ist, dass zukünftig weitere gesicherte Mängelansprüche in Höhe der vereinbarten Sicherheit offenbar werden und somit der Sicherungszweck (teilweise) entfallen ist.