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BGH, Urteil vom 17.08.2023 – VII ZR 228/23

Klage auf § 650 f BGB-Sicherheit: Gericht darf keinen Abschlag vornehmen! Grund ist zu beweisen und Höhe schlüssig darzulegen! Was muss zum anderweitigen Erwerb vorgetragen werden?

Ein Unternehmer (U) und ein Besteller (B) schlossen 2020 einen Bauvertrag ab. U verlangt am 04.03.2021 zunächst außergerichtlich eine Sicherheit gem. § 650 f BGB. Da B die Sicherheit nicht beibringt, reicht U Klage auf (Teil-)Sicherheitsleistung über 2,0 Mio. € ein. In diesem Betrag ist ein Teilbetrag in Höhe von 52.000,00 € für einen Nachtrag 1 enthalten. Am 04.08.2021 kündigt B aus wichtigem Grund; am selben Tag erklärt auch U die Kündigung nach gemäß § 650 f Abs. 5 BGB und legt eine geänderte Abrechnung der Vergütung unter Berücksichtigung der nunmehr erklärten Kündigungen vor. Das KG gibt der Klage unter Anwendung von § 278 Abs. 2 ZPO (freie richterliche Überzeugung) teilweise statt.

Der BGH nimmt in dieser Entscheidung gleich zu mehreren bisher ungeklärten Rechtsfragen zur Sicherheit nach § 650 f BGB Stellung. Anders als das KG lehnt er zunächst eine Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO zugunsten des B ab. Er stellt klar, dass im Fall einer Kündigung des Bauvertrages gemäß § 650 f Abs. 5 BGB grundsätzlich der schlüssige Vortrag des Unternehmers zur Höhe der Vergütung ausreicht, um die Höhe der geforderten Sicherheit zu bemessen. Ein Abzug bei der Höhe der Sicherheit unter Anwendung von § 278 Abs. 2 ZPO kommt hingegen nicht in Betracht. Der U hat damit Anspruch auf ungekürzte Sicherheit.

Als zweite Rechtsfrage beschäftigte sich der BGH mit der Rechtsfrage, welche Darlegungs- und Beweisanforderungen bezüglich Nachtragsforderungen an das Sicherungsverlangen nach § 650 f BGB zu stellen sind. Zunächst stellt der BGH klar, dass auch Ansprüche nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B i.V.m. § 1 Abs. 3 oder 4 S. 1 VOB/B als Ansprüche auf Zahlung einer „auch in Zusatzaufträgen vereinbarte(n) … Vergütung“ i.S.v. § 650 f S. 1 BGB zu sehen sind. Dies auch dann, wenn die in diesen Bestimmungen vorgesehene Vereinbarung über den neuen Preis bzw. über die besondere Vergütung nicht zustande kommt. Das Gericht muss in diesen Fällen für den Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gemäß § 650 f Abs. 1 S. 1 BGB feststellen, ob der Rechtsgrund für einen zusätzlichen Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B gegeben ist. Dies hat U zu beweisen. Anders verhält es sich hinsichtlich der Höhe. Hier reicht ein schlüssiger Vortrag aus.

Als dritten Punkt hatte sich der BGH damit zu beschäftigen, welcher Vortrag bei einer Kündigung nach § 650 f Abs. 5 S. 2 BGB zum anderweitigen Erwerb erforderlich ist. Hier vertrat der BGH (wie auch das KG) die Rechtsauffassung, dass es ausreichend ist, wenn der Vortrag der U zur Höhe der Sicherheit schlüssig ist. Ein schlüssiger Vortrag liegt auch dann vor, wenn einzelne Berechnungsgrundlagen inhaltlich unrichtig sind. Darlegungs- und beweisbelastet für einen anderweitigen Erwerb des Unternehmers nach einer Kündigung gemäß § 650 f Abs. 5 S. 2 BGB ist der B. Die Anforderungen an die Substantiiertheit der Darlegungen richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Keine Frage des anderweitigen Erwerbs ist es, ob die vom U bereits beauftragten Nachunternehmer aufgrund der ihnen gegenüber vom Unternehmer erklärten Kündigungen anderweitigen Erwerb erzielten Diese Frage beeinflusst die Höhe der ersparten Aufwendungen des U in Form der von ihm nicht mehr in vollem Umfang an die Nachunternehmer zu zahlenden Vergütung.