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BGH, Urteil vom 20.10.2022 - VII ZR 154/21

Bauhandwerkersicherheit auch für Nachträge

Der Bundesgerichtshof hat anhand eines 2017 abgeschlossenen VOB/B-Bauvertrags geklärt, was der Unternehmer darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, wenn er zu einem strittigen Nachtrag den Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit erfolgreich vor Gericht durchsetzen will.

In dem entschiedenen Fall beauftragte der Auftraggeber (AG) am 13. Juli 2017 die Auftragnehmerin (AN) mit der Erbringung von Trockenbauarbeiten bei der Erweiterung eines Hotels. Die VOB/B wurde vereinbart. Grundlage des Vertrags war ein Verhandlungsprotokoll samt Anlagen. Der AG sollte sämtliches Material für die Arbeiten vor Ort stellen und die Planungen übernehmen. Die AN sollte nur für die konkrete Ausführung der Arbeiten, berechnet nach Mengen und Massen (Einheitspreise), bezahlt werden. Der vereinbarte Werklohn belief sich auf 376.410,25 €. Die Parteien einigten sich außerdem auf einen Stundenlohn von 30 € für eine Facharbeiterstunde und 22 € für eine Helferstunde.

Der AG kündigte den Vertrag am 23.01.2018. Am 26.01.2018 kündigte die AN den Vertrag ihrerseits wegen behaupteter unwirksamer Kündigung der Gegenseite. Mit Schreiben vom 05.02.2018 forderte die AN eine Bauhandwerkersicherheit in Höhe von 114.850 €. Der AG verweigerte die Abnahme. Die Leistungen der AN wurden durch Weiterbau genutzt. Die AN legte am 19.06.2018 Schlussrechnung auf der Grundlage der erbrachten Leistungen bis zur Kündigung des AG und forderte zugleich erneut Sicherheit für die Schlussrechnungssumme.

Mit der Schlussrechnung verlangt die AN einen Betrag von 61.767 € für Nachtragsleistungen. Sie behauptet, die Nachträge seien technisch notwendig gewesen und der AG habe sie durch Einzelanweisung auf der Baustelle verlangt. Zudem berechnet die AN für Stundenlohnarbeiten 33.327,47 €. Weiterhin begehrt die AN Bezahlung für Leistungen betreffend die Logistik und Transport in Höhe von 15.937,05 €. Insgesamt ergibt sich hieraus ein Betrag von 111.031,52 €, für den die Klägerin zuzüglich eines Aufschlags in Höhe von 10% (11.000 €) für Nebenforderungen mit der vorliegenden Klage Sicherheit verlangt.

Der Bundesgerichtshof bestätigt in seiner Entscheidung, dass nach § 648a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. (nunmehr § 650f Abs. 1 S. 1 BGB n.F.) durch den Auftragnehmer Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung verlangt werden kann. Einem Auftragnehmer können - bei Vereinbarung der VOB/B - nach § 2 Abs. 5 oder § 2 Abs. 6 VOB/B in Verbindung mit § 1 Abs. 3 oder § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B zusätzliche Vergütungsansprüche auch dann zustehen, wenn die in diesen Bestimmungen vorgesehene Vereinbarung über den neuen Preis beziehungsweise über die besondere Vergütung nicht zustande kommt. Der Auftragnehmer kann dann unmittelbar den Vergütungsanspruch einklagen; er ist unter Berücksichtigung der Vorgaben der VOB/B zu ermitteln. Der Anspruch entsteht mit der Ausübung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts nach § 1 Abs. 3 oder § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B durch den Auftraggeber. Derartige Ansprüche sind solche auf Zahlung einer "auch in Zusatzaufträgen vereinbarten Vergütung" im Sinne von § 648a Abs. 1 S. 1 BGB a.F.. Dem steht weder entgegen, dass die zugrundeliegenden Leistungen auf Anordnung des Auftraggebers erbracht worden sind, noch, dass keine Einigung auf eine bestimmte Höhe der Vergütung existiert.

Steht danach fest, dass eine Vergütung für Nachträge geschuldet ist, folgt hieraus allerdings, dass hinsichtlich ihrer Höhe ein schlüssiger Vortrag des Auftragnehmers ausreicht, um hierfür einen Anspruch auf Sicherheit zu begründen. Schlüssig ist ein Vortrag, wenn er geeignet ist, die begehrte Rechtsfolge zu rechtfertigen. Das bedeutet hier, dass der AN nach ihrem Vortrag ein Vergütungsanspruch für bestimmte Nachtragsleistungen in Höhe von 61.767 € zustehen müsste. Dazu muss es eine Anspruchsgrundlage geben, deren Voraussetzungen auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin gegeben sind. Ob das der Fall ist, lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht erkennen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Stundenlohnarbeiten und die Leistungen betreffend die Logistik und Transport. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.