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Der Umfeldmangel im Gewerbemietrecht

Der Umfeldmangel im Gewerbemietrecht

Dieses komplexe Thema hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Ein Umfeldmangel liegt vor, wenn sich die Umgebung einer Gewerbeimmobilie so verändert, dass die Geschäftstätigkeit des Mieters beeinträchtigt wird. Dies kann beispielsweise durch den Wegfall von Kundenströmen oder die Veränderung des Branchenmixes in einem Einkaufszentrum geschehen. So hat der BGH schon im Jahr 2015 klargestellt, dass ein Umfeld- oder auch Umweltmangel grundsätzlich einen Mietmangel darstellen kann, der zu einer Mietminderung berechtigt.

Ob die Mietsache mangelhaft ist, hängt von der geschuldeten Sollbeschaffenheit ab. Das Gericht muss feststellen, welche Umfeld- und Umwelteinflüsse auf die Mietsache einen Mangel darstellen. In seiner Bolzplatz-Entscheidung (BGH, Urteil vom 29.04.2015, Az. VIII ZR 197/14) hat der BGH festgestellt, dass die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages nicht schon konkludent eine Beschaffenheit vereinbaren, wenn dem Vermieter eine bestimmte Vorstellung des Mieters bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter irgendwie zustimmend darauf reagiert hat. Nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, begründen erst einmal keinen Mangel der Wohnung und damit auch keinen Minderungsanspruch. In seiner Baulücken-Entscheidung (Urteil vom 29.04.2020, Az. VIII ZR 31/18) hat der BGH seine Ansicht bekräftigt. Ohne eine konkrete Vereinbarung liegt im Mietvertrag keine Zusicherung des Vermieters, dass Baustellenlärm nicht auftreten wird.

Umfeldmängel liegen nur vor, wenn sich die negative Umfeldveränderung unmittelbar auf den Mietgebrauch auswirkt. Eine bloß mittelbare Beeinträchtigung ist die Verwirklichung des unternehmerischen Risikos und genügt nicht, z. B.:
– wenn in einem Schuhgeschäft ein geringer Umsatz erwirtschaftet wird, weil das Einkaufszentrum vom Publikum infolge unzulänglicher Verkehrsanbindung und fehlender attraktiver Einrichtungen wie Schwimmbad oder Sauna nicht angenommen wird;
– wenn der Umsatz eines Wäschegeschäfts in einem Einkaufszentrum stagniert, weil Parkplätze fehlen und Leerstände vorhanden sind;
– wenn der Umsatz eines Blumengeschäfts durch die Aufhebung einer Bushaltestelle und den Wegfall von Parkplätzen infolge einer Baustelle beeinträchtigt wird.
– Bei Zugangsbehinderungen kommt es auf das Ausmaß der Beeinträchtigung an. So wird der Zugang zu einer Spielothek durch die optische Präsenz der Türsteher einer benachbarten Diskothek nicht wesentlich behindert.

Unmittelbare Beeinträchtigung liegen aber vor,
– wenn der Zugang zu einem Ladengeschäft durch umfangreiche Bauarbeiten so erheblich erschwert wird, dass kein ausreichender Umsatz mehr erzielt werden kann,
– bei Umweltgiften, wie z. B. Asbest oder Quecksilber,
– bei Erschütterungen, die über die Grenzwerte der DIN 4150 Teil 2 hinausgehen,
– bei Gerüchen, die beispielsweise von einer nebenan befindlichen Bäckerei oder einem Supermarkt ausgehen oder
– bei Eröffnung einer offiziellen Drogenberatungsstelle im Nachbarhaus.

Das gilt aber nur, wenn das Risiko bei Abschluss des Mietvertrages für den Mieter nicht erkennbar war.

Die Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts aufgrund der COVID-19-Pandemie ist jedenfalls kein Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem, zum vertraglichen gebrauchstauglichen Zustand nicht ganz oder teilweise unmöglich. Dennoch werden die Risiken auf beide Schultern verteilt. Im Fall einer Geschäftsschließung aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie besteht grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB. (BGH, Urteil vom 12.01.2022, Az. XII ZR 8/21).

Johannes-Christian Vent
Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht