Zugang von Schreiben im Geschäftsverkehr
Der Auftraggeber (AG) hatte die durch den Auftragnehmer (AN) bis zum 30.05.2018 gesetzte Nachfrist zur Stellung der Bauhandwerker-Sicherheit fruchtlos verstreichen lassen. Erst am 31.05.2018 um 16:00 Uhr übergab der AG die Bürgschaftsurkunde an den Auftragnehmer. Durch einen Mitarbeiter des AN wurde die Kündigung wegen Nichtstellung der Bauhandwerker-Sicherheit an diesem Tag jedoch bereits um 7:50 Uhr in den Geschäftsbriefkasten des AG eingeworfen. Der AG verteidigte sich damit, dass eine Leerung des Briefkastens durch dessen Geschäftsführer am 31.05.2018 gegen 7:00 Uhr und dann wieder um kurz nach 19:00 Uhr erfolgt sei. Damit sei dem AG die Kündigungserklärung erst nach Übergabe der der geforderten Bürgschaftsurkunde zugegangen. Die Kündigung des AN sei somit unwirksam.
Das Oberlandesgericht Dresden bestätigt in seinem Beschluss vom 20.07.2021 (Az. 22 U 467/21) die Rechtsauffassung des Landgerichts Dresden, wonach von einer rechtswirksamen Zustellung des Kündigungsschreibens an den AG am 31.05.2018 jedenfalls vor 16:00 Uhr und damit noch vor dessen Übergabe der Bürgschaftsurkunde an den AN auszugehen ist. Zwischen den Parteien war unstreitig, dass die Deutsche Post als größter Postdienstleister regelmäßig um ca. 12:00 Uhr Postzusendungen bei dem AG zustellt. Geschäftspartner – so auch der AN – dürfen daher davon ausgehen, dass der Briefkasten des AG üblicherweise tagsüber, und zwar unmittelbar nach der Postzustellung durch die Deutsche Post geleert wird. Dieses Vertrauen des Geschäftsverkehrs ist auch berechtigt, da von einem Kaufmann erwartet werden kann, dass er die eingehende Post jedenfalls taggleich zur Kenntnis nimmt und daraufhin unmittelbar seine Entscheidungen trifft.