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OLG Stuttgart, Urteil vom 25.04.2024 – 13 U 97/23

Unwirksamkeit von Sicherheitenabreden

In Bau- und Werkverträgen finden sich häufig Vereinbarungen zu Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten. Die Vertragserfüllungssicherheit soll den Auftraggeber davor schützen, dass der Auftragnehmer das geschuldete Werk nicht vollendet, etwa weil er leistungsunfähig ist oder die Ausführung der Arbeiten ohne ausreichenden Grund verweigert. Die Gewährleistungssicherheit hingegen dient dem Auftraggeber nach Abnahme zur Absicherung seiner Gewährleistungsansprüche.

Eine Vertragserfüllungs- und/oder Gewährleistungssicherheit muss im Vertrag jedoch ausdrücklich vereinbart werden. Stellt sich zu einem späteren Zeitpunkt heraus, dass die in der Regel durch den Auftraggeber als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte Sicherheitenabrede unwirksam ist, dann darf durch den Auftraggeber kein pauschaler Betrag als Sicherheit einbehalten werden. Hat der Auftraggeber dennoch zu Unrecht einen Sicherheitseinbehalt vorgenommen, dann ist der zurückbehaltene Werklohn an den Auftragnehmer auszuzahlen. Sollte der Auftragnehmer eine Bankbürgschaft zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts an den Auftraggeber übergeben haben, dann hat der Auftragnehmer bei Unwirksamkeit der Sicherheitenabrede einen Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde.

In dem durch das OLG Stuttgart entschiedenen Rechtsstreit nahm die Auftraggeberin die Bürgen des zwischenzeitlich insolventen Auftragnehmers aufgrund von mehreren „Kombinierten Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaften“ auf Zahlung von insgesamt 406.097,00 € in Anspruch. Sowohl das LG Stuttgart als auch das OLG Stuttgart haben die Klage abgewiesen. Das OLG Stuttgart hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Sicherungsabrede im GU-Vertrag unwirksam ist, da diese den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn sich aus den vom Auftraggeber gestellten formularmäßigen Vertragsbestimmungen eines Bauvertrags - für sich genommen oder in ihrem Zusammenwirken - ergibt, dass der Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5% der Auftragssumme liegt. Eine solche, der Höhe nach unangemessene Sicherheit kann sich dabei insbesondere daraus ergeben, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt und dem Auftraggeber für etwaige Mängelansprüche sowohl die Sicherheit für die Vertragserfüllung als auch die Sicherheit für Mängelansprüche zur Verfügung steht.

Im entschiedenen Fall sah die im GU-Vertrag enthaltene Sicherheitenabrede u.a. vor, dass der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5% des Bruttovertragspreises zu stellen hat, die nicht nur Vertragserfüllungs- und Überzahlungsansprüche, sondern auch "Mängelansprüche einschließlich bei Abnahme vorbehaltener Mängel" absichert. Darüber hinaus hatte der Auftragnehmer für die Dauer der Mängelhaftung Sicherheiten für etwaige Mängelhaftungsansprüche in Form von Mängelhaftungsbürgschaften in Höhe von 5% der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssummen zu leisten. Insoweit konnten durch den Auftraggeber bis zu deren Überreichung 5% der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssumme einbehalten werden. Nach dem Wortlaut der Regelungen sicherten demnach beide Sicherheiten Mängelansprüche ab. Die durch das OLG Stuttgart vorgenommene „kundenfeindlichste“ Vertragsauslegung ergab, dass durch den Auftraggeber die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit in Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands für sog. Protokollmängel sowie in Höhe der anfallenden Vergütung für bis zur Abnahme noch nicht ausgeführte Leistungen verweigert werden konnte. Dies führt dazu, dass der Auftragnehmer für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass der Auftraggeber zu Unrecht Protokollmängel erhebt und hierüber Streit entsteht. Auch bei berechtigten Ansprüchen auf Beseitigung von bei Abnahme festgestellten Mängeln oder Vornahme von Restarbeiten kann sich deren Erledigung über einen nicht unerheblichen Zeitraum nach Abnahme hinziehen. Dabei kann der Beseitigungsaufwand je nach Sachlage durchaus eine Größenordnung erreichen, bei der zusammen mit der Mängelsicherheit die Schwelle von 5% der Vertragssumme nicht nur unwesentlich überschritten wird.

Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze gelangte das OLG Stuttgart daher zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherheitenabrede.