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§ 823 Abs. 1 BGB – Eine oft unerkannte Anspruchsgrundlage im Baurecht!

§ 823 Abs. 1 BGB – Eine oft unerkannte Anspruchsgrundlage im Baurecht!

Eine der ersten Anspruchsgrundlagen, die ein Jurist in seiner Ausbildung lernt, ist § 823 Abs. 1 BGB. Danach haftet derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, diesem auf Schadensersatz.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, BauR 2005, 96; BGH, NJW 1998, 2282; OLG Koblenz, MDR 1998, 591; Thüringer OLG, Urt. v. 11.07.2012 – 7 U 95/12) werden Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB durch die Gewährleistungsansprüche nicht ausgeschlossen. Vielmehr bestehen beide Ansprüche selbstständig nebeneinander.

Aus baurechtlicher Sicht ist § 823 Abs. 1 BGB aus dem Gesichtspunkt einer Eigentumsverletzung interessant. Eine Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn durch die fehlerhafte Bauleistung in eine bereits vorhandene und vorher unversehrt gewesene Sache des Bauherrn, die überhaupt nicht in das ausführende Werk einbezogen war, eingegriffen und diese durch den Eingriff beschädigt wird. In der Rechtsprechung ist sie erstmals angenommen worden in einem Fall, in dem ein an sich mangelfreier, aber zu schwacher Schalter (Abschalter, sog. Schwimmschalter) eine Überhitzung einer Industrieanlage nicht verhindert hatte und diese dadurch in Brand geraten war (sog. „Schwimmerschalterfall“ BGH, Urt. v. 24.11.1076 – VII ZR 137/75). In einem anderen Fall hat der BGH eine Eigentumsverletzung bejaht als ein PKW wegen eines an sich mangelfreien, aber für das Fahrzeug zu schwachen und deshalb geplatzten Reifens, einen Unfall erlitt (BGH, Urt. v. 05.07.1978 - VIII ZR 172/77). Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist die sog. „Stoffgleichheit“. Führt die fehlerhafte Bauleistung zu einem Eingriff in eine baulich abgrenzbare und vorher unversehrt gewesene Sache, kommt eine Eigentumsverletzung in Betracht (verneint für eine undicht eingebaute Bodenablaufrinne, Thüringer OLG, aaO; bejaht für die fehlerhafte Montage einer Photovoltaikanlage - OLG München, Urt. v. 09.07.2015 - 14 U 91/15; bejaht für die Einbringung einer mangelhaften Dachabdeckfolie - BGH; Urt. v. 18.09.1984 – VI ZR 51/83; ausführlich BGH, Urt. v. 23.02.2021 – VI ZR 21/20).

Von Bedeutung ist eine deliktische Haftung immer dann, wenn Gewährleistungsansprüche bereits verjährt sind. Oft zeigen sich Mangelfolgen erst sehr spät. Anders als bei den Gewährleistungssprüchen, bei denen die Verjährung mit der Abnahme beginnt (§ 634a Abs. 2 BGB; § 13 Abs. 4 Nr. 3 VOB/B), beginnt zwar nominal kürzer die Verjährung deliktischer Ansprüche mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB. Dies führt in der Praxis oft zu einer längeren Verjährung. Deshalb sollte die Prüfung deliktischer Ansprüche auch im Baurecht stehts im Blickfeld bleiben.