Gibt es eine Vermutung, dass DIN-Normen stets den anerkannten Regeln der Technik entsprechen?
Das OLG Düsseldorf hatte sich mit der für die Baupraxis wichtigen Frage zu beschäftigen, ob DIN-Normen stets die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben.
Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer, einen Fliesenlegermeister, mit Fliesenbelagsarbeiten im Zuge der Neuerrichtung eines Badezimmers. Im Nachgang der Arbeiten rügt der Auftraggeber, dass der Unterboden des Badezimmers nicht vollständig abgedichtet worden sei. Hierbei beruft sich der Auftraggeber auf die DIN 18534 und macht geltend, dass nach den anerkannten Regeln der Technik der Boden und die Wandflächen im Bereich der Badewanne hätten abgedichtet werden müssen. Der Auftragnehmer verteidigt sich damit, dass er den Duschbereich und den Bereich des Durchbruchs der Armatur der Badewanne abgedichtet habe. Der durch den Auftraggeber klageweise geltend gemachte Kostenvorschussanspruch wird durch das Landgericht abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Auftraggeber mit seiner Berufung.
Die Berufung des Auftraggebers hat Erfolg. Das OLG Düsseldorf hebt das Urteil auf und verweist den Rechtsstreit an das Landgericht zurück. Das OLG Düsseldorf begründet seine Entscheidung damit, dass sich das Landgericht mit dem Vortrag des Auftraggebers nicht ausreichend befasst hat. Dieses hat lediglich ausgeführt, dass der zuvor im selbständigen Beweisverfahren beauftragte Sachverständige „plausibel dargetan“ habe, dass kein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik vorliege. Der Sachverständige hat indessen eine solche (begründete) Aussage nicht getroffen. Er hat lediglich abstrakte rechtliche Ausführungen dazu gemacht, dass DIN-Normen kein Gesetz sind. Begründete Feststellungen dazu, ob ein Verstoß gegen die DIN oder eine anerkannte Regel der Technik vorliegt, hat er nicht getroffen. Das Gericht darf sich indessen bei der Prüfung, welche Ausführung den anerkannten Regeln der Technik entspricht, nicht auf die persönliche Auffassung eines Sachverständigen stützen. Es muss den Sachverständigen anleiten, aussagekräftige Erkenntnisquellen zu nutzen, um die Frage, welche Ausführung den anerkannten Regeln der Technik entspricht, zu beantworten. Dazu können neben eigenen Untersuchungen auch Recherchen von Erfahrungswerten mit schon aufgetretenen Schadensfällen und den Erkenntnissen einschlägiger Fachkreise und anderer Sachverständiger gehören.
In diesem Zusammenhang weist das OLG Düsseldorf weiter darauf hin, dass auch bei einem BGB-Vertrag die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik geschuldet ist. Dabei ist es möglich, dass DIN-Normen die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben. Ob darüber hinaus in allen Fällen eine Vermutung dafür anzuerkennen ist, dass DIN-Normen den Regeln der Technik entsprechen, ist allerdings zweifelhaft. Die hierzu ergangene Rechtsprechung der Zivilgerichte reflektiert möglicherweise nicht hinreichend, dass sich einzelne Normen erst als anerkannte Regeln der Technik etablieren sollen, die DIN-Normen das Ergebnis einer Kompromissfindung sind und neue DIN-Normen sich bei ihrer Einführung noch nicht praktisch bewährt haben können.