Doch nicht Erbe - Pflichtteilsanspruch verjährt
In meiner eigenen Praxis bearbeite ich gerade den Fall, in dem die Tochter des Verstorbenen über Jahre hinweg glaubt, Alleinerbin zu sein. Im Testament steht jedoch eindeutig, dass der Nachlass zu gleichen Teilen auf die Tochter und die Enkel verteilt wird.
Sie hat den Gang durch die Instanzen angetreten und ist letztlich vor dem BGH gescheitert. Damit steht rechtskräftig fest, dass sie eben nur Miterbin, aber nicht Alleinerbin ist.
Aktuell klage ich auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Hier wendet die Tochter ein, dass sie ja zumindest einen Pflichtteilsanspruch habe. Dieser ist jedoch inzwischen verjährt.
Der Pflichtteilsanspruch ist in § 2303 Abs. 1 BGB geregelt und nur ein schuldrechtlicher Anspruch, der auf eine Zahlung gerichtet ist. Er richtet sich gegen den oder die Erben. Die Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Tod des Erblassers und seiner Enterbung Kenntnis erlangt hat. Maßgeblich ist nur die Tatsachenkenntnis. Die Einwendung, die Tochter habe geglaubt, Alleinerbin zu sein, hilft ihr nicht; der Anspruch ist verjährt.
Ähnlich ging es dem vermeintlichen Miterben der Veltins-Brauerei (Streitwert 30 Millionen €). Auch er war der Meinung, dass das Testament unwirksam sei. In seiner Entscheidung vom 05.06.2025, Az. 1-4 O 84/24 wies das Landgericht Arnsberg die Klage als unbegründet ab. Das Testament war wirksam, mögliche Pflichtteilsansprüche des Klägers waren aber inzwischen verjährt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Die Verjährung des Pflichtteilsanspruches ist aber nicht nur bei einem Streit um die Erbenstellung zu beachten. Auch wenn das vorangegangene Stadium, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Erben Auskunft verlangt, länger andauert, droht der Eintritt der Verjährung, wenn der Pflichtteilsberechtigte hier nicht rechtzeitig agiert.
Anfechtung der Annahme - Anfechtung der Ausschlagung
1.
Ist die Erbmasse überschuldet, kann der Erbe innerhalb von 6 Wochen die Erbschaft anfechten. Wenn dem Erben die Überschuldung nicht bekannt ist, kann er die Annahme der Erbschaft wegen Irrtums anfechten.
So entschied das Landgericht Frankenthal in seinem Urteil vom 27.02.2025, Az. 8 O 189/24. Der Erblasser hatte seinen Sohn aus erster Ehe als Erben eingesetzt. Später war der Kontakt zwischen beiden abgebrochen. Die Witwe übernahm die Beerdigungskosten, die sie dann vom Erben erstattet haben wollte.
Dieser erklärte, er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei. Daraufhin focht er die Erbschaftsannahme an, §§ 1954, 1945, 1957 BGB. Das Landgericht stellte sich auf die Seite des Sohnes. Voraussetzung ist, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht.
Da der Nachlass hier überschuldet war, wenn man die Bestattungskosten abzieht, sei das eine solche „wesentliche“ Forderung. Das Gericht bewertete den Irrtum des Sohnes als glaubhaft.
2.
Das gleiche gilt aber auch im umgekehrten Fall. Schlägt der Erbe aus und es stellt sich später heraus, dass es statt Schulden viel zu erben war, kann man die Ausschlagung nachträglich anfechten.
Hier ist aber zu differenzieren. Die Anfechtung ist nur erfolgreich, wenn man über die Zusammensetzung des Nachlasses irrt. Wer nur über den Wert des Erbes irrt, kann die Ausschlagung nicht anfechten.
Im Fall, den das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 14.08.2024, Az. 8 W 102/23) zu entscheiden hatte, wurde die Erbschaft von der Enkelin ausgeschlagen, und sie gab an, der Nachlass sei nach ihrer Kenntnis überschuldet.
Im Anschluss wurde das Haus der Erblasserin mit großem Erlös verkauft, so dass nach Abzug der Verbindlichkeiten noch ein erheblicher Rest verblieb. Außerdem fand man noch ein Sparkonto der Erblasserin mit einem 4-stelligen Guthaben.
Daraufhin erklärte die Enkelin die Anfechtung der Ausschlagung.
Das OLG stellte fest, dass die Enkelin auch dadurch nicht Erbin geworden ist. Sie hat die Erbschaft wirksam ausgeschlagen und konnte diese Erklärung später wegen Irrtums nicht anfechten. Zwar bestand nach dem OLG ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses, denn das Bankkonto sei ihr erst nach der Ausschlagungserklärung bekannt geworden. Das war aber nicht der Grund für die Anfechtung. Selbst wenn ihr das Konto bekannt gewesen wäre, hätte dies die Verbindlichkeiten der Erblasserin nicht abgedeckt und es hätte nichts an ihrer Einschätzung über die Überschuldung des Nachlasses geändert.
Der Irrtum über den Wert des Hauses berechtigt hingegen nicht zur Anfechtung.
Deswegen sollte in jedem Erbfall die Ausschlagungsfrist für eine sorgfältige Recherche genutzt werden.
Johannes-Christian Vent
Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht