Das Berliner Testament - denn sie wissen nicht, was sie tun
66% der Deutschen haben kein Testament. Von den verbleibenden 34% haben 90% ein Berliner Testament. Unter Erbrechtlern wird es auch flapsig "James-Dean-Testament" genannt, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Folgender Beispielsfall:
Der Ehemann hat Vermögen im Wert von über 6 Mio Euro, vorwiegend in Immobilienvermögen. Die deutlich jüngere Ehefrau hat kaum nennenswertes Vermögen. Der Ehemann hat aus erster Ehe zwei inzwischen erwachsene Kinder. Eines davon kann nicht mit Geld umgehen, für ein anderes ist Betreuung angeordnet. Für den Todesfall des Ehemannes soll die Ehefrau abgesichert sein; wenn auch die Ehefrau verstirbt, sollen die Kinder erben. Die Ehegatten errichten ein Berliner Testament, in dem sie sich zunächst gegenseitig als Erben einsetzen. Erben des überlebenden Ehegatten sollen die Kinder des Ehemannes werden. Das Ergebnis - eine Katastrophe!
Verstirbt der Ehemann zuerst, erbt seine Ehefrau allein. Sie muss - abgesehen von dem Freibetrag von 500.000 €, der möglichen steuerfreien Übertragung des Familienheims und dem Versorgungsfreibetrag - Erbschaftssteuer bezahlen, und zwar in Steuerklasse I mit max. 23%. Da das Vermögen in Immobilien gebunden ist, ist sie gezwungen, zu verkaufen oder sich die Erbschaftssteuer kreditieren zu lassen und die Immobilien mit Grundschulden zu belasten.
Hinzu kommen noch die Pflichtteilsansprüche der Kinder. Diese entsprechen dem hälftigen Erbanteil am Nachlass nach der gesetzlichen Erbfolge, also für jedes Kind 1/8. Die Ehefrau muss also nicht nur die Erbschaftssteuer aufbringen, sondern auch noch 1/4 des Nachlasses liquidieren, um Pflichtteilsansprüche zu erfüllen.
Sicherlich kann man den Kindern die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen dadurch verleiden, dass man Pflichtteilsstrafklauseln in das Testament aufnimmt. Der Betreuer wird dennoch den Pflichtteilsanspruch geltend machen, um die Betreuung, Lebensunterhalt oder gegebenenfalls Pflege des betreuten Kindes sicherzustellen. Das andere Kind wird ebenfalls dem Pflichtteilsanspruch geltend machen und sein Geld schlimmstenfalls verschleudern.
Verstirbt die Ehefrau, erben die Kinder des Ehemannes. Hier wird wiederum Erbschaftssteuer fällig. Da zwischen Ehefrau und Kindern aber kein Verwandtschaftsverhältnis besteht, haben diese lediglich einen Freibetrag von 20.000 €. Der gesamte Nachlass ist noch einmal der Erbschaftssteuer zu unterwerfen, diesmal in Steuerklasse III. mit max. 50% Erbschaftssteuer.
Fazit: Die Ehefrau wird große Probleme bekommen, die Erbschaftssteuer und die Pflichtteilsansprüche zu bezahlen. Der Wunsch des Ehegatten, den Nachlass möglichst ungeschmälert zu übertragen und vor Verschleuderung zu schützen, wird sich nicht erfüllen. Das Finanzamt wird sich freuen.
Dagegen hilft nur eine maßgeschneiderte Lösung. Das Erbrecht bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten, den Wünschen des Erblassers Geltung zu verschaffen und die Steuerlast zu minimieren.
Ihr Johannes-Christian Vent
Fachanwalt für Erbrecht